Laut einer kürzlich publizierten Studie könnte Schlafmangel zumindest bei Jugendlichen zu Depressionen und Suizidgedanken führen. Wissenschafter der Columbia University in New York und Kollegen analysierten Daten von über 15.000 Schülern der 7.-12. Schulstufe, wonach für Jugendliche, die von ihren Eltern erst nach Mitternacht oder später zu Bett geschickt wurden, im Vergleich zu jenen, die vor 10 Uhr abends zu Bett gingen, ein um 24 Prozent höheres Depressionsrisiko errechnet werden konnte (OR=1,24; 95% CI 1,04-1,49). Die Rate an Probanden mit Suizidgedanken war bei den Spät-Schlafengehern um 20 Prozent gesteigert (OR=1,20; 95% CI 1,01-1,41).
Schlafmangel bei Jugendlichen stellt demnach offenbar einen Risikofaktor für die Entwicklung von Depressionen dar. Ausreichend guter Schlaf dagegen könnte als Präventivmaßnahme oder Therapie-unterstützend bei Depressionen eingesetzt werden.
Forschungsergebnisse gab es darüber hinaus auch zum Thema Schlafentzug: offenbar ist es nicht möglich, zu wenig Schlaf z.B. am Wochenende nachzuholen. Forscher am Bostoner Brigham and Women’s Hospital berichteten im Journal ‘Science Translational Medicine’, dass Schlafmangel über einen längeren Zeitraum Konzentration und Leistungsfähigkeit einschränkt. Das sei ein Hinweis darauf, dass Menschen mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten besonders anfällig für Fehler sind, auch wenn sie versuchen, den verlorenen Schlaf zu kompensieren.
Die US-Forscher untersuchten dazu acht Jugendliche ohne Schlafstörungen, die über einen Zeitraum von drei Wochen jeweils 30 Stunden ohne Unterbrechung wach blieben und anschließend zehn Stunden schliefen, was in etwa mit den Arbeitszeiten von Ärzten, die nach einer Nacht mit Abrufbereitschaft gelegentlich 33 Stunden wach sind und dann zehn Stunden schlafen, vergleichbar ist. Dann folgten Aufmerksamkeits- und Reaktionstests, deren Ergebnisse mit denen einer Kontrollgruppe mit regelmäßigen Schlafrhythmen verglichen wurden. Beide Gruppen schnitten über den gesamten Versuchszeitraum gleich ab, wenn der Test zwei Stunden nach dem Aufwachen durchgeführt wurde. Je länger der Versuch jedoch andauerte, desto deutlicher verschlechterten sich die Ergebnisse in Tests am Ende der Wachzeit. Lag die Reaktionsdauer in der ersten Woche bei 0,7 Sekunden, betrug sie in der dritten Woche mit 2,0 Sekunden bereits das dreifache. Wegen der geringen Anzahl an Probanden soll der Versuch nun in größeren Maßstab wiederholt werden.
Dass ausbleibender Schlaf gefährliche Wirkungen haben kann, zeigen bereits frühere Forschungen. “Nach 17 Stunden Wachzeit am Stück reagiert der Mensch so, wie wenn er 0,5 Promille Alkohol im Blut hätte, nach 24 Stunden sogar wie bei 1,0 bis 1,2 Promille. Dauert die Wachzeit deutlich länger, beginnen Halluzinationen”, erklärt M. Walzl, Neurologe und Psychiater der Landesnervenklinik Graz. Chronischer Schlafmangel sei ein Merkmal der heutigen Zeit: “Seit 100 Jahren schon schlafen wir um zwei Stunden pro Tag zu kurz, derzeit durchschnittlich 6,5 bis 6,8 Stunden”, extrem sei dies bei Kindern und Jugendlichen zu beoachten: “Viele überbrücken das Nicht-einschlafen-können mit Fernsehen oder Videospielen, haben dann massive Alpträume und zeigen am nächsten Tag arge Konzentrationsstörungen, Unruhe und Unaufmerksamkeit.” Im Berufsalltag seien besonders Schichtarbeiter von chronischem Schlafentzug betroffen. “Medizinisch wäre die Vorverlegung des Schichtsystems um zwei Stunden sinnvoll, auch sollte man am besten direkt vor der Nachtschicht schlafen”, rät Walzl. Sei es unvermeidbar, eine Nacht durchzuarbeiten, solle man zu Mitternacht ein kurzes Mittagsschläfchen machen. “Zwischen ein und drei Uhr morgen und auch zur selben Zeit nachmittags ist unsere Leistungskurve auf einem absoluten Minimum. 20 Minuten Schlaf zuvor können Wunder wirken”.
(Quellen: Der Standard, Sleep; 2010, 33: 97-106, “Uncovering Residual Effects of Chronic Sleep Loss on Human Performance” in: Science Translational Magazine Vol 2 Issue 14 (13 Jan 2010))
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